Auf Besuch im Kaffee-Anbaugebiet von APAS

Ein interessanter Rundgang mit Alessandro und Augusto

Nach etwa vier Stunden Busfahrt von São Paulo aus kamen wir irgendwo im Bundesstaat Minas Gerais an. Die für Touristen wohl nicht unbedingt so interessante Stadt São Gonçalo do Sapucaí beherbergt natürlich eine schöne Kirche, auf die die Bewohner scheinbar stolz sind und auch zwei, drei Restaurants, die am Abend unseres Besuches auch noch geöffnet waren. Ich hätte zuerst nicht gedacht, dass der Besuch tatsächlich klappt. Aber plötzlich war dank Alessandro alles organisiert und wir wurden abends in São Gonçalo do Sapucaí an der Rodoviaria abgeholt und zum «Hotel Novo» gefahren. Wir assen etwas Kleines in einer Bar nebenan und verabredeten uns dann für den nächsten Tag um 8:00 Uhr.

 

Specialty Coffee in Brasilien

Nach einem grosszügigen Morgenessen im Hotel holte uns Alessandro pünktlich um acht Uhr morgens beim Hotel ab. Gemeinsam fuhren wir ein ganzes Stück über Landstrassen und kamen in einem kleinen Dorf im «Distrito dos Ferreiras (Ressaca)» an. Dort begrüsste uns Augusto herzlich und gemeinsam mit der Familie gab es erst einmal einen guten V60-Filterkaffee und natürlich etwas zu essen.

 

Stolz erzählen uns die beiden auch, dass sie als kleine Produzenten auf Qualität und Specialty Coffee setzen. Das sei für alle Beteiligten gut, denn mit der grossen Masse und den tiefen Preisen von Grossproduzenten können sie nicht mithalten. Indem sie auf kleinen Flächen qualitativ sehr hochwertigen Kaffee anbauen, erhalten sie einen besseren Preis dafür (zu recht) und der Konsument trinkt besseren Kaffee. Das meinen nicht nur sie, sondern auch andere, denn in der Küche von Augusto stehen schon einige Auszeichnungen, die APAS für ihre Kaffees erhalten haben.

Alessandro Alves Hervaz und Augusto Borges Ferreira sind Teil von APAS, der «Associação dos Produtores do Alto da Serra». So wie ich es verstanden habe, verwaltet Alessandro verschiedene Kaffee-Anbaugebiete und Augusto schaut, dass der Kaffee auch verkauft wird. Ich nehme aber an, dass beide auch noch einiges mehr mit der Kaffeeproduktion selber zu tun haben. Alessandro hat zudem die eigene Firma mit dem Namen «Honey & Coffee».

Den Kontakt habe ich dank Gallus Hufenus vom Kaffeehaus St.Gallen bekommen. Er bezieht von Luciano Augusto Ferreira (dem Vater von Augusto) Kaffee über eine Direct Trade Plattform namens Algrano.

 

Fairtrade, Bio-Kaffee, Anbau in grosser Höhe

Nach dem zweiten Frühstück (ich glaube es war ein «Cafezinho») mit Käse und Pão de Queijo machten wir uns auf den Weg zu den Kaffeeplantagen. Als erstes waren wir an einem Ort, wo sie gerade neue Kaffeepflanzen setzten. Bis diese Pflanzen Früchte tragen dauert es nun noch mindestens 2 1/2 Jahre. Die Kaffeepflanzen, die vorher an diesem Ort standen, waren schon mehr als 40 Jahre alt und gaben keinen guten Ertrag mehr.

 

Das Gebiet, das wir besucht haben gehört, so wie ich es verstanden habe, zur Fazenda Fortaleza. Die Fläche dieses Bauernhofes ist sehr gross und wurde in kleine Bereiche (Sítios) aufgeteilt, die jetzt verschiedenen Personen gehören und von verschiedenen Kaffee-Bauern bewirtschaftet werden. Diese haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, der sich (wie oben schon erwähnt) APAS nennt und total 64 Kaffeebauern dazugehören.

Sítio Grotão 1500 m

Die nächste Station war der «Berggipfel» auf rund 1500 Meter über Meer. Alessandro erzählte uns, dass sie hier als Experiment die Varietät «Yellow Bourbon» anbauen. Andere Leute würden sagen, sie seien verrückt. Hier oben ist der Wind viel stärker als weiter unten und es ist kälter. Damit die Kaffeepflanzen etwas geschützt sind, haben sie Gräser und Büsche gepflanzt. Wenn das Vorhaben klappt, werden sie mit hochwertigerem Kaffee belohnt, so Alessandro. Dieses Land gehört übrigens nicht ihm; er gibt die Hälfte seines Gewinns dem Besitzer des Landes ab. Etwas weiter unten haben Sie die Varietät «Novo Mondo» an. Die Pflanzen sind jetzt etwas mehr als ein Jahr alt und tragen nächstes Jahr wohl das erste Mal Früchte.

 

Sítio Boa Vista

Den nächsten Halt machten wir etwas weiter unten. Hier sind die Pflanzen schon vier Jahre alt und dementsprechend höher. Hier stehen «Yellow Catuaí» und «Novo Mondo». Es ist schon beeindruckend, wenn man neben diesen Hohen Pflanzen steht, die grösser sind als ein Mensch. Die Kaffeepflanzen, die ich bis jetzt gesehen habe, waren nicht so gross. Wir probierten hier auch zwei mehr oder weniger Reife Kaffee-Kirschen. Geschmacklich ein wenig süss, aber auch noch etwas bitter und zäh. Das würde sich noch ändern, wenn die Kirschen wirklich reif sind. Momentan nehmen die Kaffebohnen im Innern der Frucht recht viel Platz ein; nach dem Essen bleiben zwei Bohnen mit glitschiger Oberfläche übrig. Also der Teil des Kaffees, der allen bekannt ist.

 

Sitío Bourbon Santa Clara

Eine Autofahrt durch staubige Strässlein später kamen wir am Waldrand an. Dort wird «Yellow Bourbon» angebaut. Als wir in das Stück Wald gingen, sahen wir zu unserer Überraschung ebenfalls Kaffee. Hier bauen sie als Versuch die Varietät «Tupi» im Wald an. Sie wächst im Schutz des Waldes besser als andere Varietäten. Im selben Wald hat Alessandro auch einen Teil seiner Bienen seines Unternehmens «Honey & Coffee».

 

Sitio Arroza (Kaffee fürs Kaffeehaus St.Gallen)

Nach dem Besuch der Bienen fuhren wir anschliessend zum Ort, wo unter anderem auch Kaffee angebaut wird, den Gallus Hufenus vom Kaffeehaus für seine Vorstadtkaffee-Mischung bezieht. Diese Pflanzen geniessen eine gute Aussicht. ;-)

 

Mittagessen und Weiterverarbeitung

Auch wenn wir Alessandro und Augusto erst gerade kennengelernt hatten, fühlten wir uns sofort sehr wohl. Sie waren sehr offenherzig und haben uns zum Beispiel auch gleich bei Alessandro zum Mittagessen eingeladen. Es gab das traditionelle brasilianische Gericht Feijoada und frischen Goiaba-Saft. Goiaba haben wir in Rio de Janeiro das erste Mal probiert und hier auch noch als ganze Frucht gegessen: Schmeckt sehr gut.

Nach dem Mittagessen durften wir das Häuschen anschauen, wo Alessandro seine Honig-Produkte herstellt und die Maschinen zur Weiterverarbeitung von Kaffee. Jetzt, wo sie nicht in Betrieb sind (die Erntezeit ist erst ab Mai bis September), wachsen hier Kürbis und andere Pflanzen, wo nachher alles schön sauber ist. Es gibt eine grosse Fläche, wo die Bohnen getrocknet werden, eine Entpulpungs-Analage, um das Fruchtfleisch von der Bohne zu entfernen und Netze, mit Dach, wo die qualitativ hochwertigeren Kaffees vor Regen geschützt getrocknet werden. Es sei nicht sehr schlimm, wenn es in der Nacht einmal regnen würde, aber wenn es oft regnet, dann sei ein eigentlich toller Kaffee nachher nicht mehr aussergewöhnlich. Was man unten auf den Bildern auch sieht, ist der Kompost, den Alessandro aus dem Fruchtfleisch und Mist (?) herstellt. Das gibt den Kaffeepflanzen später wieder Nährstoffe zurück.

 

Sítio Talhao da Grota

Alessandro erzählte uns, dass sie dank APAS auch das Fairtrade-Label hätten. Bei den Kontrollen dieser Zertifizierungen läuft das dann so, dass eine Farm kontrolliert wird. Falls dort etwas nicht stimmen würde, würde APAS (und somit alle 64 Bauern) das Label verlieren. Auf der Fazenda Fortaleza wird auch Cafè Organico hergestellt, also biologisch angebauter Kaffee. Das internationale Bio-Label sei aber sehr teuer, weshalb sie es momentan nicht hätten. Trotzdem wird in gewissen bereichen Bio-Kaffee angebaut. Und wie man auf dem letzten Bild dieser Serie sieht, wird hier wirklich Honig und Kaffee nebeneinander produziert. So wie wir es verstanden haben ist der Honig ein tolles Nebenprodukt von Alessandro, das er aber nicht absichtlich produziert, um die Qualität des Kaffees zu steigern. Diese würde aber sicher bei der Bestäubung der Blüten schon auch profitieren.

 

Besuch und Cupping bei APAS («Associação dos Produtores do Alto da Serra»)

Als letzte Station durften wir den Hauptsitz von APAS besuchen, wo uns ein Teil des Teams und sogar der Chef des Vereins begrüsste. Wir tauschten einige Erfahrungen über Kaffeekonsum und -zubereitung in der Schweiz aus. Das war auf Portugiesisch gar nicht so einfach, weil mir häufig das Vokabular fehlte und Englisch sprachen sie nicht so gut. Da ich gesagt habe, dass ich bei Gallus ab und zu als Barista aushelfe, durfte ich mit einem V60 Filterkaffee für das Team zubereiten. Anschliessend machten wir eine Kaffeedegustation; für Marina war es das erste Cupping und sie fand es ziemlich lustig, uns schlürfend zuzuschauen (und danach selber zu schlürfen).

 

Langer, interessanter Tag mit viel Portugiesisch und Koffein

Nach einem Cafezinho war es Zeit, Abschied zu nehmen. Wir fuhren zurück ins Dorf, wo Augusto wohnt und auch einen kleinen Supermarkt betreibt, und tranken gemeinsam ein Guarana-Getränk, das in São Gonçalo do Sapucaí hergestellt wird. Eine Sorvete später sassen wir dann im Auto zurück zur Rodoviária und wurden bald darauf herzlich von den beiden verabschiedet. Mit viel Koffein im Blut stiegen wir in den Bus und konnten nicht wirklich schlafen, aber neben Müdigkeit nahmen wir ein Highlight unserer Brasilien-Reise als Erinnerung nach Hause. Ein ganzer Tag auf Portugiesisch übrigens – nur ab und zu fiel ein Wort auf Englisch. Marina musste mir manchmal etwas übersetzen, aber gemeinsam verstanden wir relativ viel. Unser nächstes Ziel: Wieder einmal nach Brasilien kommen und dann aber in der Erntezeit mithelfen.

Alessandro e Augusto, obrigado pela hospitalidade! Foi muito interessante!

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